Kennen Sie das?
Sie suchen ein witziges Theaterstück für Kinder aus, das Ihnen gefällt, rufen ihre Theatergruppe zusammen und stellen ihr das Stück vor. Nun verteilen Sie die Rollen zum auswendig lernen- und schon haben Sie das erste Problem: So viele Kinder würden gerne mitspielen, aber Ihr fertiges Stück hat nicht genügend Rollen. Also wählen Sie aus: Wer kann gut lesen, gut auswendig lernen, wer bewegt sich schön, ist hübsch und flink? Das ist für viele Kinder ihre erste Theatererfahrung: Ich bin nicht gut genug!
Vielleicht schreiben Sie ein paar einfache Rollen zum Stück dazu: Wo sind die Kinder, die nur einen Satz zu sagen haben, dass sie mitspielen können? Sitzen sie am Bühnenrand und schauen gelangweilt ins Publikum oder führen sie sich hinter der Bühne recht übel auf? War ja klar, die sind „ungeeignet“, können sich nicht konzentrieren, sind ungezogen, vielleicht so sehr, dass sie aus der Gruppe entfernt werden müssen? Das ist die zweite Erfahrung in der Gruppe: Ich bin ungeeignet!
Theater spielen ist eine riesen Entwicklungschance, gerade in der heutigen Zeit
Fähigkeiten fördern Denn nicht nur die schulisch geförderten und bewerteten Fähigkeiten spielen im Leben eine Rolle, sondern zu den intellektuellen Fähigkeiten kommen emotionale, motorische, sprachliche, musikalische, soziale und andere Begabungen, die im Kontakt der Kinder miteinander mehr befruchten als die in der Schule übliche Selektion nach Schulerfolg.
Gespräch auf Augenhöhe: Auch fällt in der altersgemischten Spielgruppe der Leistungsvergleich weg. Das Stück wird gemeinsam beurteilt, nicht das Kind! Zwischen Spielleiterinnen und Kindern entsteht ein Gespräch auf Augenhöhe. Das gemeinsame Spiel bringt Kinder in Kontakt miteinander. Sie lernen sich kennen und schließen Freundschaften.
Im Probehandeln üben sie aufbauende und üble Verhaltensweisen, die sie dann im Alltag besser einordnen können. Sie lernen Konfliktsituationen zu durchschauen und lernen so das Probehandeln aus der geschützten Spielatmosphäre in ihre Alltagsprobleme zu übertragen. Suchtverhalten, Mobbing, Gewalttätigkeiten bewältigen geübte Kinder mit einem gesunden Selbstbewusstsein und Entscheidungsvermögen.
Kinder übernehmen Verantwortung für ihr selbst gestaltetes Tun, was dann auch auf die schulische Lernhaltung zurückwirkt.
Mittagsbetreuung und Ganztagsunterricht: Kindertheater mit dem Schwerpunkt Pädagogik kann in der Mittagsbetreuung oder im Ganztagsunterricht einen kreativen Ausgleich bilden zum leistungsorientierten Vormittagsunterricht.
Und wie soll das gehen?
Nicht auswendig lernen! Die Kinder lernen nicht nach einem Text, sondern spielen eine Geschichte, die Sie ihnen erzählen. Das ist noch kein Theater! Sie bauen weiter aus, indem Sie die Erzählung mit Übungsspielen intensivieren, die Spielideen der Kinder mit einfließen lassen, den Erzählstoff einteilen und selbständig in Kleingruppen frei spielen lassen.
Nach der Spielphase zeigen Sie den Weg vom Spielen zum Vorspielen: Diese straffere, zielstrebige Phase beginnt mit der demokratischen Rollenwahl, die nach einem für fast jedes Theaterstück gleichbleibenden Schema erfolgt. Dann erhalten die Kinder die „Szenenvorlage“, damit sie nichts Wichtiges vergessen. Wichtiger als diese ist aber das „Körperlernen“: sparsame Beeinflussung von Mimik, Gestik und Körperhaltung, indem die Kinder sich gegenseitig nachahmen, gleiche Wege bei gleichen Handlungen, Hinwendung zum Publikum, einige wenige wiederkehrende Gesten in jeder Probe, reagieren auf die Mitspieler, eigenständiges Verwalten der Requisiten. Jedes Spielkind kennt zum Probenschluss jede Rolle der Mitspieler.
Vom Spielen zum Vorspielen
Kindertheater aus dem freien Rollenspiel entwickeln
Die Theatergruppe
Diese Art des Theaterspiels ist besonders geeignet für Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren. Wenn sie nicht im Klassenverband spielen, sondern in einer altersgemischten Theatergruppe, entfällt das ungesunde Vergleichen und damit die Selbstentwertung mit ihren üblen Gefühlen: Trauer, Neid, Hilflosigkeit, Rückzug. Möglichst drei Jahrgänge sollen zusammen spielen(siehe Jenaplan – Schule): Sieben- bis Neunjährige und Acht- bis Zehnjährige. Die Jüngsten ahmen die Älteren nach. Sie werden beschützt, aber auch von den Älteren in ihre Grenzen verwiesen. Die Mittleren blicken nach zwei Seiten: klein sein und groß sein und die Großen tragen ihre Erfahrungen schon mit Stolz und sind die geduldigen Anführer der Gruppe. Konkurrenz wird fair und gerecht ausgetragen. Manche Kinder wollen weiter in der Gruppe bleiben, auch wenn im neuen Schuljahr jüngere Kinder dazukommen. Solche „alte Hasen“ können natürlich bleiben!
Alle Kinder mit ihren Begabungen und Begrenzungen, die sich vom Theaterangebot im organisierten Rahmen einer Institution angesprochen fühlen, sind zur Mitwirkung eingeladen und können ihre Fähigkeiten einbringen. Handicaps sind keine Hindernisse, sondern Bereicherung. Jedes Kind kann die Ausdrucksmöglichkeiten, die es hat, ins Spiel bringen! Unter diesen Bedingungen entwickelt sich ein kreatives, demokratisches Lernmodell, in dem alle Kinder ihren persönlichen Beitrag zum Gelingen leisten.